netzwerk tirol hat eine Umfrage im Land gestartet. Wir wollten wissen, wie die Tiroler Ortsvorsteher über die Raumordnung in ihren Gemeinden denken. Läuft alles gut? Was kann gelobt werden und was kritisiert?

Karl-Heinz Prinz, Natters, rund 2.300 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Natters ist Mischgebiet1. Das ist das Schlechteste für eine Gemeinde. Konflikte sind Alltag. Immer wieder beschweren sich Bürger etwa über Lärm in benachbarten Betrieben. Mir sind auch bei Neuwidmungen die Hände gebunden, weil ich nicht verbieten kann, was seit Jahren Usus ist: Wohnungen über einem Wirtschaftsbetrieb zu bauen.“
Georg Dornauer, Sellrain, rund 1.350 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wohnen und Wirtschaft schließen einander nicht aus. Der Schlüssel zu einem funktionierenden Miteinander zwischen leistbarem Wohnraum und der Wirtschaft ist eine moderne Raumordnungspolitik und das Denken in größeren Räumen. Der Lebensraum der Menschen endet nicht an der Dorfgrenze einer politischen Gemeinde.“
Gottlieb Jäger, Polling, rund 1.200 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Probleme bezüglich der Raumordnung, vor denen Gemeinden heutzutage stehen, sind meist hausgemacht. Man kann nicht immer darauf warten, bis der zuständige Landesrat Maßnahmen trifft, um selbst verschlafene Entwicklungen zu reparieren. Meist ist es dann zu spät. Als Bürgermeister muss man die Sachen selbst regeln.“
Jakob Wolf, Umhausen, rund 3.300 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Ich habe getrennte Siedlungsgebiete für Wohnen und Gewerbegebiete ausgewiesen und damit gute Erfahrungen gemacht.“

Hansjörg Peer, Mutters, rund 2.200 Einwohnerinnen und Einwohner:
„In Mutters achten wir klar auf die Trennung zwischen Wirtschafts- und Wohnraum. Bei touristischen Einrichtungen, die schon lange im Nahbereich des Wohnraumes liegen, haben wir uns des Raumordnungsinstrumentes `Sonderflächenwidmung´ bedient. Ein Nachteil für das Vermögen, ein Vorteil in der wirtschaftlichen Entwicklung.“
Franz Gallop, Stams, rund 1.500 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir haben mehr Schüler als Einwohner im Ort.2. Weder die Schulen, noch die kirchlichen Organisationen zahlen jedoch Kommunalsteuern. Dennoch sind wir als Gemeinde für Sicherheit und Infrastruktur rund um die Einrichtungen zuständig, was enorm viel Geld kostet. Wir verlangen daher eine gerechte finanzielle Beteiligung des Landes nach dem Einwohnerwert-Schlüssel.“
Christian Felder, Gschnitz, rund 450 Einwohnerinnen und Einwohner:
„In Bezug auf die Raumordnung gilt es, vorausschauend zu planen. Die Probleme liegen zum einen darin, ob überhaupt geeignete Flächen zur Verfügung stehen. Zum anderen braucht man eine optimale Vorbereitung und einen langen Atem, um eine Umsetzung in akzeptabler Zeit durchzuführen.“
Andreas Ehrenstrasser, Langkampfen, rund 4.200 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir befassen uns intensiv mit dem Thema Vertragsraumordnung mit dem Ziel, leistbare Grundstücke im Sinn von Angebot und Nachfrage anbieten zu können. Das Problem: es gibt in Langkampfen zwar 3,5 ha gewidmetes Bauland, das kommt aber nicht auf den Markt, weil bei den Eigentümern keine Notwendigkeit zum Verkauf besteht.“
Ludwig Pedarnig, Schlaiten, rund 470 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir sind eine landwirtschaftlich geprägte Wohngemeinde. Als Wirtschaftsstandort kaum begehrt.Der Baugrundpreis beträgt derzeit 65 Euro. Wir planen gerade eine Kleinwohnanlage. Dem `5-Euro-Wohnen´ stehe ich skeptisch gegenüber, weil dabei auf gewisse Standards wie Tiefgarage verzichtet wird und die Nachhaltigkeit etwa beim Vollwärmeschutz leidet.“

Alois Margreiter, Breitenbach am Inn, rund 3.500 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir machen seit dem Jahr 2000 beinharte Vertragswidmungen. Bei jeder Baulandwidmung ist mit der Gemeinde ein privatrechtlicher Vertrag abzuschließen. Dadurch stellen wir sicher, dass nur bei tatsächlichem Bedarf gewidmet wird und zwar nur für Bürger, die mindestens drei Jahre in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz schon haben.“
Peter Hanser, Mils, rund 4.450 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Für Gemeinden gibt es ausreichend Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit einem gemeinnützigen Bauträger leistbare Wohnprojekte zu entwickeln. Oft sind es nur Vorbehalte im Gemeinderat oder die Weigerung, alle Möglichkeiten der Vertragsraumordnung anzuwenden, die eine Befriedigung der vorhandenen Nachfrage verhindern.“
Eva-Maria Posch, Hall in Tirol, rund 14.000 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir achten auf eine Entwicklung, die Bewohner und Betriebe zufriedenstellt. Der Gemeinderat genehmigt behutsam und ist bedacht auf die Interessensbalance. Da die Fläche in Hall begrenzt ist, forcieren wir Verdichtungen. Bei Neuwidmungen sind wir zurückhaltender. Zuzug propagieren wir in Hall bewusst nicht.“
Arno Guggenbichler, Absam, rund 7.300 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Wir sind eine Wohngemeinde mit zwei großen Leitbetrieben im Ort, Swarovski Optik und Montavit, denen ein langfristiges Entwicklungskonzept die Expansion gewährleistet. Aufgrund der Innsbruck-Nähe und Sonnenhanglage haben auch wir hohe Wohnpreise und derzeit 220 Wohnungssuchende auf der Liste. Ein Ausweg ist die Wohnraum-Verdichtung.“

Martin Schwaninger, Pettnau, rund 1.050 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Pettnau ist bäuerlich strukturiert, hat ausreichend Fläche, aber kein eigenes Gewerbegebiet. Das Problem: die Bauern geben ihren Grund ungern her. Trotzdem konnte die Gemeinde Grund kaufen, auf dem 36 Baueinheiten gewidmet werden. Die Vergabekriterien beschließt der Gemeinderat. Ziel: jungen Leuten leistbares Wohnen zu ermöglichen.“
Edgar Kopp, Rum, rund 9.250 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Das derzeitige Raumordnungsgesetz gibt schon einen gewissen Spielraum her. In Rum setzen wir die Möglichkeiten auch sehr konsequent um. Da fahren wir seit Jahren eine stringente Linie. Völlig überzogenen Preisforderungen für Baugrund kommen wir nicht nach!“
Brigitte Praxmarer, Flaurling, rund 1.300 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Unsere Schwerpunkte liegen auf der effizienten Auslastung bestehender Infrastrukturen und der Erhaltung des Ortszentrums samt seiner Nahversorgungsfunktion. Außerdem auf der Sicherung des dörflichen Charakters sowie auf einem harmonischen Orts- und Landschaftsbild.“
Alois Thurner, Imsterberg, rund 800 Einwohnerinnen und Einwohner:
„Im Sinne der Gerechtigkeit sollte die Kommunalsteuer anders aufgeschlüsselt werden. Die Gemeinden, in denen die Betriebe angesiedelt sind, bekommen den Großteil. Die Orte, aus denen Mitarbeiter einpendeln, sollen auch ihren Anteil an der Kommunalsteuer kriegen. Letztere sind schließlich von der Wiege bis zur Bahre für die Menschen zuständig.“
1 Mischgebiet: Nebeneinander von Gewerbebetrieben und Wohnsiedlungen
2Schigymnasium, Pädagogische Akademie der Diözese Innsbruck, Meinhardinum