Seit 26. Juni können Italophile und Interessierte im Innsbrucker Ferdinandeum dem vom Dichterfürsten Goethe geprägten Italienbild über zwei Etagen auf die Spur gehen. Eine „Schnellkonsumierausstellung“ wird aber nicht geboten, vielmehr zerlegt die Schau das Konglomerat von Bildern im Kopf in Einzelteile.
Von Gabriela Stockklauser

Johann Wolfgang von Goethe prägte das Italienbild, in Teilen noch bis heute. Die Sehnsucht nach diesem „Land, wo die Zitronen blühen“, so Goethe, besteht auch fast 250 Jahre nach seiner Italienreise von 1786 bis 1788 noch aus pittoresken Bildern, die Hoffnungen, Erwartungen und Vorstellungen in den Köpfen von Menschen lebendig werden lassen. Dem zugrunde liegt die „Italienische Reise“, jenes literarische Werk, das während des eineinhalb Jahre dauernden Streifzugs entstand. Dass die Reise aber mehr Fiktion denn auf Tatsachen beruhender Reisebericht ist, und wie Vorstellungen die Wahrnehmung von Ländern modellieren können, dem geht die Ausstellung im Ferdinandeum auf die Spur.

Täuschungen und Enttäuschungen
Die Schau ist für den Besucher in Etappen konzipiert: Vom Prolog im Erdgeschoss geht es über einen Streifzug durch die Antike in den ersten Stock zur eigentlichen Italienreise. Hinauf zu den Skizzen, die der in Deutschland ausgebildete Zeichner von seinem Zufluchtsort anfertigte, hinauf zu den Zitaten aus der „Italienischen Reise“, viele davon mit Tirol-Bezug, hinauf zu diversen Ansichten Italiens: Von Ölgemälden, etwa von Josef Anton Koch oder Martin Knoller, über Radierungen, etwa von Luigi Rossini, bis hin zu Fotografien von Barbara Klemm. Sogar Goethes ikonisches Antlitz aus der Pop-Art-Werkstätte Andy Warhols ist farbenfroh vertreten.
Der Parcours durch die Ausstellung macht klar, wie sehr das Reisen und die Wahrnehmung von Orten von den eigenen Bildern im Kopf geprägt sind, die man sich macht, noch bevor man aufgebrochen ist. Peter Assmann, Direktor der Tiroler Landesmuseen: „Wir suchen Orte auf, die wir schon zu kennen glauben. Denn in ein Land, von dem ich keine Vorstellung habe, würde ich wohl nicht reisen.“
Anhand Goethes Vorstellungen, Hoffnungen, Erwartungen und seiner Vorfreude auf Italien wird dem Besucher klar, dass es sich wohl bei jeder Reise um einen erheblichen Anteil an Projektionsphantasien handelt, die sinnlich aufzusuchen den Reisenden in Bewegung setzt.

Pittoreske Vorstellungen und Alltagsflucht
So ist Goethes Italienbild im Vorfeld unter anderem von seiner Auseinandersetzung mit der Antike, den Darstellungen von Arkadien, wo sorgloses Leben möglich scheint, dem pittoresken Bild eines Idylls, von vergnügten Hirten und Nymphen geprägt. Die Hoffnung, die der damalige Regierungsbeamte an diese Bilder knüpfte, war, sich aus den Zwängen seines Weimarer Alltags befreien zu können. Seine Italienreise diente der Flucht vor seinem Leben als Minister und seiner Suche nach Freiheit, die er im Süden zu finden hoffte. Goethe wollte seit längerem seine Brotarbeit an den Nagel hängen und seiner Berufung als Künstler nachgehen können. Diese fand er anfangs keineswegs so sehr in der Dichtkunst, wie aus heutiger Sicht anzunehmen ist. Vielmehr wollte er sich in Italien vor allem der Bildhauerei und dem Zeichnen widmen. Geklappt hat es mit den bildenden Künsten nicht. Er landete beim Schreiben. Gott, oder der Italienreise, sei´s gedankt, kann der Goethe-Liebhaber retrospektiv da nur sagen.
Neben der Ernüchterung über sein bildhauerisches Unvermögen musste Goethe auch der einen oder anderen Ernüchterung ins Auge blicken, was das Land seiner Träume an sich betrifft. Neben Schilderungen italienischer Toilettenzustände ist und bleibt Italien aber, ganz den prologischen Erwartungen entsprechend, für Goethe das Land, in dem die Zitronen blühen. Hier findet er heraus, was er in Zukunft sein will und kann den Künstler in sich zu Leben und Ausdruck erwecken.
Goethe, ein früher Urlauber
Dass Goethe zu seiner Zeit Italien ohne Sinn und Zweck und dienstliche Absicht bereisen konnte, war ein recht einzigartiges Privileg. Möglich war es wohl nicht zuletzt durch die finanzielle Unterstützung seines Arbeitgebers Herzog Carl August.
Dass das Ferdinandeum die Ausstellung „Goethes Italienische Reise. Eine Hommage an ein Land, das es niemals gab“ am 26. Juni eröffnen konnte, war bis zuletzt ungewiss. Möglich wurde es erst durch die kurz zuvor wieder geöffneten Grenzen, aufgrund dessen unverzichtbare Leihgaben aus Italien und Deutschland ins Tirolerische gebracht werden konnten. Bis 26. Oktober hat die Schau ihre Pforten geöffnet. Geboten werden zahlreiche Führungen, Feste und Workshops, ein eintrittsfreier Sonntag am 11. Oktober sowie eine Textwerkstatt am 12. September.