Menschen sind mobil. Auch Waren, Produkte und sogar Ideen werden bewegt oder bewegen etwas. Eines aber, das noch wenig beleuchtet wurde, ist die Mobilität einer der treibenden Kräfte unseres modernen Wirtschaftssystems, nämlich des Geldes.
Ein Essay von Chris Miess

Geld ist stets in Bewegung, es wird eingenommen, es wird ausgegeben, es wird investiert, es wird gespart. Kurzum Geld ist eigentlich das einzige Perpetuum mobile, das es gibt. In Anlehnung an Kaiser Vespasian, der um circa 70 nach Christus den Spruch „pecunia non olet“ prägte, was bedeutet, dass Geld nicht stinke, ließe sich sagen „pecunia non dormit“: Geld schläft nicht.
Nach meiner Ausbildung in Yale in den USA und an der LSE in Großbritannien hatte ich während meiner Zeit bei Goldman Sachs und Morgan Stanley mit zahlreichen Investment Fonds, Hedge Fonds, Private Equity Investoren und Pensionskassen zusammengearbeitet. Diese traten oft als Käufer von Aktien oder ganzer Firmen auf oder auch als Kapitalgeber für Mezzaninfinanzierungen, in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital, oder Schuldverschreibungen.
Viele dieser Fonds hatten eine nahezu unerschöpfliche Finanzkraft. Doch woher kommt dieses Geld und was hat die Mobilität des Geldes damit zu tun?
Wissen Sie eigentlich, wo jetzt gerade Ihr Geld ist und was es macht? Blöde Frage werden Sie sagen, auf der Bank natürlich, wo ich es auf mein Sparbuch eingezahlt habe und wo es, zumindest bis vor kurzem, Zinsen für mich verdiente.
Paradoxerweise ist das Geld am allerwenigsten dort, wo Sie es vermuten. Die Bank hat Ihr Geld nämlich inzwischen bereits weiterveranlagt. Das eingezahlte Geld wurde in digitale Zahlen umgewandelt, einmal quer um die Welt geschickt, in verschiedene Währungen getauscht, in Aktien, Anleihen, Zertifikate und Geldmarktfonds investiert und erwirtschaftet bereits eine Rendite.
Geld schläft nicht. Geld ist mobil.
So kann es sein, dass Ihr Erspartes jetzt in dem Moment gerade in japanische Staatsanleihen investiert ist. Oder es wurde als Schweizer Franken-Kredit an einen Kunden ausgegeben. Oder es wurde in Tesla oder Netflix Aktien investiert. Oder eben in einen Hedge Fonds oder Private Equity Fonds.
Geld ist viel mobiler als Menschen und Waren. Es gibt nichts, was schneller einmal, zweimal, dreimal, ja, zigmal um die Welt geschickt werden kann in kürzester Zeit. Durch die Loslösung vom Goldstandard und seit dem Scheitern von Bretton Woods 1973 ist Geld heutzutage nichts mehr als bloße digitale Zahlen am Bildschirm. Für die Mobilität stellt der Betrag keine Rolle. Ob Millionenbetrag oder 49 Cent an der Supermarktkasse, eine Bezahlung stellt nur eine Reduktion der Zahlen am Bildschirm des einen und eine Erhöhung der Zahlen am Bildschirm des anderen dar.
Ganz extrem ist das bei digitalen Zahlungsmitteln der Fall, die auf der Blockchain-Technologie beruhen, wie es beispielsweise bei den Kryptowährungen Bitcoin oder Libra von Facebook sind. Diese können nicht nur innerhalb von Tagen, sondern wirklich innerhalb von Sekunden und zunehmend in Echtzeit, von zum Beispiel Reutte nach Chicago und zurück geschickt werden. Zack, zack. So schnell.
Es gibt nichts Vergleichbares zu Kryptowährungen. SEPA Transfers funktionieren quasi nur innerhalb der EU und dauern gleichzeitig aber oft Tage und versagen überhaupt, wenn Sie Geld damit aus der EU in ein Drittland schicken wollen. Noch dazu bezahlen Sie hohe Wechselkursgebühren. Dies gilt für westliche Länder, aber noch viel mehr für Entwicklungsländer.
Viele Leute aus ärmeren Ländern müssen ihre Familie verlassen, um im Ausland Arbeit zu suchen. Diese Menschen senden einen Teil ihres Einkommens an ihre Familie zur Unterstützung nach Hause. Bis vor ein paar Jahren war das mit viel Mühen und Gebühren verbunden. Ein Philippino Gastarbeiter in Singapur etwa war auf Western Union und traditionelle Banken angewiesen. Seine Familie, die am Land oder gar auf einer Insel lebt, muss zu einer weit entfernten Western Union oder Bank Filiale gehen, um das Geld zu erhalten. Oft dauert der Transfer mehrere Tage bis zu einer Woche. Dazwischen haben weder der Gastarbeiter noch die Familie etwas von dem Geld, nur die Bank verdient in dieser Zeit etwas mit dem ihr anvertrauten Geld und verlangt noch dazu oft mehr als 10 Prozent der überwiesenen Summe als Spesen.

Durch Kryptowährungen wird dieses traditionelle und behäbige System umgangen oder verbessert und ein neues geschaffen. Viele Firmen und auch Staaten haben das Potential dieser Technologie mittlerweile schon erkannt. Schweden zum Beispiel arbeitet an einer eigenen Kryptowährung, der E-Krona. Auch andere Länder und zahlreiche Nationalbanken verfolgen Ähnliches.
Aber auch multinationale Firmen wie Facebook schaffen eine eigene Währung. Facebook mit der Libra Coin ist in der Geschichte die erste Firma, die das Potential hat, staatlichen Währungen die Stirn zu bieten und eine ernsthafte Konkurrenz darzustellen. Es wird in der Zukunft gleich einfach sein, sich gegenseitig mit dem Handy Geld zu schicken, wie eine Whatsapp Nachricht auszutauschen.
Auch Österreich erkennt die Chance der Kryptowährungen. Aber auch jene der dahinterliegenden Blockchain Technologie. Ich hatte die Ehre, dem Finanzministerium beratend zur Seite stehen. Als Mitglied im FinTech Rat, initiiert vom ehemaligen Bundesminister Hartwig Löger, habe ich beratend agiert, wie Kryptowährungen reguliert werden können, sodass Anleger sich sicher fühlen können und auch effektiv geschützt sind. Gleichzeitig sollen auch klare Regeln für Firmen geschaffen werden, um diese zu einer Ansiedelung in Österreich zu bewegen. Wir wollen ein attraktiver Standort für junge Finanz Start Ups und Technologie Firmen sein. Das schafft Arbeitsplätze und bringt Kapital ins Land.
Die Schweiz und Liechtenstein sind hier bereits sehr weit voran. Wir müssen diese Gelegenheit nützen und den goldenen Mittelweg zwischen Chance und Risiko der neuen Technologien gehen.
Blicken wir nun auch noch etwas in die Zukunft. Da könnten sich gerade für KMU einige nützliche Vorteile durch Kryptowährungen und die zugrunde liegende Blockchain-Technologie ergeben. Wie schon erwähnt, können Transaktionen in Sekunden abgehandelt werden und das ohne eine zentrale Instanz, der vertraut werden muss. Mit dem gleichen Prinzip der Dezentralisierung und Transparenz können digitale Verträge, sogenannte Smart Contracts, verfasst werden. Für diese Verträge braucht es nun keine Notare oder zentrale Personen mehr, da das Vertrauen durch die Transparenz des Codes der Blockchain erzeugt wird. Auch diese können in Sekunden abgeschlossen werden und ersetzen einen in manchen Fällen tagelangen und vor allem kostenintensiven Instanzenweg. Risiken, wie etwa Datenverlust oder -diebstahl, oder Probleme mit der Software, wenn sie nur aus einem einzigen Quelltext betrieben wird, können nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Für KMU kann das eine Kostenreduktion und Zeitersparnis bei alltäglichen unternehmerischen Aufgaben bei der Bank sowie beim Notarifizieren von Datenbeständen bedeuten. Anschaffungen von Ressourcen, die Bezahlung dieser Verträge und die Lieferverfolgung wird schneller, akkurater, sicherer und günstiger als jemals zuvor sein, da Transaktionen auf Smart Contracts automatisiert abgeschlossen werden können.
Für KMU auch sehr interessant sind die Finanzierungsinstrumente, die sich durch die Blockchaintechnologie ergeben. Hier gilt es primär die Security Tokens zu erwähnen, mit denen KMU relativ kostengünstig ihr Eigen- oder Fremdkapital verbriefen und an verschiedenste Investoren verkaufen können.
Alles in allem sind es also sehr spannende Zeiten, in denen wir leben! Man darf gespannt bleiben, was als Nächstes kommt.