#Weltmeister
Kolumne von Anna-Maria Wallner
(Chefin vom Dienst bei Presse am Sonntag und Ressortleiterin Meinung)
Tirol und seine Bewohner sind Meister in vielen Dingen, aber nicht nur in der Küche. Der Kaffee schmeckt besser, die Leute reden häufiger Englisch und alle sind sportlich.
Der Mensch muss überleben und er tut das im Idealfall, in dem er Magen UND Geist füttert. Deshalb fällt uns so gut wie immer zuerst eine Speise ein, wenn wir nach Besonderheiten oder Spitzenleistungen eines bestimmten Landes befragt werden So ist das auch bei Tirol. Probieren Sie es aus! Stellen Sie sich oder anderen wahllos die Frage, welche Sache das westliche Bundesland besonders auszeichnet und Sie bekommen spätestens an dritter Stelle, nach „die Berge“ und „die Skifahrer“, etwas Essbares zu hören. Häufig verbunden mit einem sprachlichen Hinweis auf diese eine mundartliche Besonderheit im Tirolerischen: „Die Kckkkkkknödel!“ (Einmal würde ich gerne ausgiebig mit Tirolern diskutieren, ob und wie sehr sie diese ständige Reduktion auf einen Sprachfehler belastet oder nervt. Das wird aber noch warten müssen.)
Knödel also. Zugegeben, die können sie wirklich gut, die Tiroler. Am besten die mit gepresstem Käse. Ansonsten sind sie Küchenmeister in allem, was deftig ist und schnell wärmt: Gröstl, Zirbenschnaps und Moosbeernocken (auch bekannt als Schwarzbeeren oder Heidelbeeren oder Blaubeeren, wobei ich mich frage, ob das verschiedene Bezeichnungen für ein- und dieselbe Frucht oder verschiedene Früchte sind). Die tollste Erfindung seit es Hüttenessen gibt. Vor allem wegen der Farbspiele. Hallo lila Zähne und Lippen!
Sehen Sie, ich tue es auch! Schreibe über Essen statt über all die Dinge, die Tirol für mich sonst noch ausmachen. Ich denke nämlich nicht automatisch zuerst an Berge und Skifahrer. Sondern an geistreiche Erfindungen oder Hervorbringungen. Die Piefke Saga, zum Beispiel. Die Fernsehserie, erdacht und aufgeschrieben von Felix Mitterer, wird demnächst 30 Jahre alt, und auch wenn man ihr das optisch schon seit geraumer Zeit ansieht, ist sie immer noch eine der, wenn nicht sogar die genialste Fernsehproduktion Österreichs. Wer in Tirol Urlaub macht, Verwandte besucht, auf Geschäftsreise ist, wird garantiert mehrmals an bestimmte Szenen aus der Telenovela rund um die Familien Krimbacher (die Bauern), Wechselberger (die Hoteliers) und Sattmann (die deutschen Touristen) erinnert. Eine gute Gelegenheit, um an dieser Stelle wieder einmal der Empörung freien Lauf zu lassen, dass es die Saga noch immer nirgends zum Streamen gibt. Das sollte spätestens zum Jubiläum nächstes Jahr anders sein.
Tirol ist für mich aber vor allem verbunden mit magischen Orten und Blicken: Von der Nordkette hinunter ins Innsbrucker Becken zum Beispiel, oder vom Zirbenweg am Patscherkofel hinüber auf die Nordkette oder vom Faltegarteköpfl wieder hinunter ins Innsbrucker Becken, jetzt aber von der anderen Seite aus gesehen. Und wenig verwunderlich, muss es immer von oben hinunter sein. In dem Fall kommt aber keine Arroganz sondern Demut auf.
Und dann hat Tirol noch dieses sehr spezielle Lebensgefühl zu bieten. Tiroler sind engstirniger (das kommt von den Bergen), aber auch südländischer (das kommt von der beneidenswerten Nähe zu Italien). Das ist vor allem in ihrer Hauptstadt Innsbruck spürbar. 36 Kilometer vom Brenner entfernt ist der Kaffee immer schon trinkbarer gewesen als in Wien. Dabei gibt es da wie dort ein Café Central, wobei das in Innsbruck übrigens besser ist als das in Wien. So wie die Stadt dank Uni, vieler Summer Schools und den Zentralen mancher internationaler Marken, wie dem Snowboard-Ausrüster Burton, schon viel früher viel weltoffener wirkte als Wien; und immer noch weltoffener ist als alle anderen Landeshauptstädte Österreich.
Tirol und die Tiroler sind aber auch noch in paar anderen Dingen Weltmeister: Darin, sich nicht in andere Angelegenheiten einzumischen. Im Ertragen des Fön-Windes. Und der Nähe zu München. Im Hass auf Wien und „die Weaner“. Sie sind Weltmeister in Sachen Schneesicherheit, zumindest ab 3.000 Höhenmetern und wenn die Schneekanonen funktionieren. Jedenfalls auch im Afterwork-Skifahren an Freitagnachmittagen. Im Engstirnig-sein, was man auch daran erkennt, dass Tiroler immer noch glauben, Graukäse ist tatsächlich eine gute Idee. Aber vielleicht brauchen Sie den einfach, damit der Schnaps einen tieferen Sinn hat, egal ob von Zirbe bis Enzian (obwohl der so selten und teuer ist, dass man ihn eigentlich nicht trinken, nur zum Einreiben verwenden kann). Sehen Sie, schon wieder schreibe ich über Essen. Ich hör schon auf.

Anna-Maria Wallner weiß natürlich, dass sich so eine Liste über jedes Bundesland Österreichs erstellen ließe. Wobei jene über Ihre Geburtsstadt Wien natürlich am längsten wäre.