
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
„Die Zukunft ist als Raum der Möglichkeiten der Raum unserer Freiheit“, meinte Karl Jaspers. Mir gefällt dieses Bild. Es verweist darauf, dass sich Zukunft nicht einfach einstellt. Die angesprochenen Räume müssen und können (!) immer wieder neu eingerichtet werden. Von uns selbst und für uns selbst. Dabei gibt es beachtliche Freiräume, sofern wir uns nicht nur in der Asservatenkammer des „Weiter wie bisher“ bedienen wollen. Dort greifen wir meist zu, wenn sehr persönliche Motive, Angst vor Neuem, Bequemlichkeit, starre Strukturen oder Phantasielosigkeit dies als rasche und vermeintlich einfache Problemlösung nahelegen. Ob wir auf diese Weise allerdings den Raum unserer Freiheit verantwortlich ausgestalten, ist anzuzweifeln. Vor allem, wenn doch bekannt ist, dass das Bisher selbst stark problembehaftet war.
Tirol ist vieles und auch Tourismusland. Ein beträchtlicher Teil seines Wohlstands resultiert aus der verantwortungsvollen Erschließung seiner natürlichen Ressourcen. Das Prinzip des „Immer weiter, immer höher, immer mehr“ führte in den letzten Jahren aber vielfach an und über die Grenzen des Erträglichen: Übererschließung, optische und akustische Umweltverschmutzung, 24/7 Saufen et cetera. Ballermann auf unterstem Niveau, das aber bis auf über 2.000 Höhenmeter: Geld ist geil, cash macht fesch und Bremsen gilt als uncool. Felix Mitterer bekam den Stoff, aus dem sich die Piefke-Saga nährt, frei Haus geliefert. Und Corona deckte auf, was hinter immer neuen Erfolgsmeldungen versteckt blieb. Haben wir wirklich alles richtig gemacht?
Der Begriff des Overtourism könnte daher ein Weckruf bei der Neu-Gestaltung des Raums der Möglichkeiten sein. Das Unbehagen schleicht sich nämlich unaufhaltsam in die Köpfe jener bürgerlichen Gäste, auf deren Ausgabefreudigkeit die Touristiker ebenfalls angewiesen sind. In dieser Ausgabe von netzwerk tirol machen wir uns auf die Suche nach denkbaren Bauelementen eines gast-freundlichen, nachhaltigen und erfolgreichen Tourismuslandes Tirol 2.0. Wir können dabei nicht ausschließen, dass Manches Manchem sonderbar vorkommt. Wenn wir uns in diesem Zusammenhang aber den guten Rat Otto von Bismarcks bewusst machen, eröffnen wir uns wichtige Chancen für die Räume der Möglichkeiten und unserer Freiheit: „Verfallen wir nicht in den Fehler, bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verstand oder an seinem guten Willen zu zweifeln.“
Herzliche Grüße.
Stephan Laske
(Herausgeber)