Als Wirtschaftsinformatikerin befasst sich Isabella Seeber mit Menschen, Maschinen und den multiplen Möglichkeiten der Digitalisierung. Sie erforscht Chatbots, Nudges oder Collaboration Tools und mit welchen Gefühlen Mitarbeiter und Kunden auf diese digitalen Werkzeuge reagieren. Außerdem betreut sie Studierende auf deren Reise zum Doktortitel und macht sich selbst im Sommer auf den Weg nach Grenoble.
Von Gabriela Stockklauser

Ein Unternehmen besteht aus vielen Bereichen und nicht selten spricht jede Abteilung ihre eigene Sprache. Der Leiter des Kundenservice versteht nicht, was ihm die Kollegin von der IT-Abteilung zum neuen „Feature“ im Kundenmanagementprogramm erklärt. Doch kann ein Betrieb nur florieren, wenn die Kommunikation funktioniert. Die zwischen Menschen, aber auch die zwischen Menschen und Technik.
Im Zeitalter der Digitalisierung stehen Firmen intern wie extern vor der Aufgabe, dieser herausfordernden Verständigungsaufgabe sinnvoll und zielgerichtet zu begegnen. Mitarbeiter und Kunden sehen sich neuen computervermittelten Werkzeugen gegenübergestellt. Diese gilt es zu begreifen, zu bedienen und sinnvoll zu nutzen. Nur wenn die Schnittstellen zwischen digitalen Werkzeugen, dem Menschen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen möglichst naht- und reibungsfrei funktionieren, kann ein Unternehmen vom technologischen Fortschritt profitieren.
Schnittstellen zwischen Menschen und Maschinen
Dieses als human-machine interaction, Interaktion zwischen Mensch und Maschine, bezeichnete Forschungsfeld ist eines der Gebiete, denen sich die Innsbrucker Wirtschaftsinformatikerin Isabella Seeber widmet. Sie untersucht unter anderem, wie der kommunikative Ablauf zwischen Menschen und technologischen Tools gelingen kann, stellt fest, wo es Verbesserungspotenzial gibt und wo es noch völlig hakt. „Schon heute sehen wir, dass intelligente Software wie Chatbots und robotergestützte Prozessautomatisierung rudimentäre Aufgaben, die früher von Menschen erledigt wurden, automatisieren können. Zum Beispiel ein Bankkonto eröffnen, die Lieferadresse ändern und dergleichen. Es ist wichtig zu verstehen, wie sich Arbeitspraktiken verändern und welche Auswirkungen diese auf die Menschen haben werden. Wenn wir uns heute nicht an der Forschung zu diesem Thema beteiligen, können wir möglicherweise nicht proaktiv gegen die negativen Auswirkungen vorgehen, die sich aus diesen veränderten Arbeitseinstellungen ergeben können.“
Die 36-jährige wuchs in Hall in Tirol auf, forscht und lehrt derzeit an der Universität Innsbruck und hat vor kurzem ihre Habilitationsschrift eingereicht. Die künftige Assoziierte Professorin versucht letztlich zusammenzuführen, was mitunter Welten voneinander getrennt zu sein scheint: neue Technologien und deren Handhabung durch den Menschen.
Dabei liegt ihr vor allem am Herzen, diese digitalen Technologien sinnhaft und zweckmäßig für die Unterstützung des Menschen zu gestalten und zu erforschen.
Seeber will aber nicht nur wissen, wie benutzerfreundlich neue technologische Anwendungen sind, sondern auch, wie Menschen sich im Umgang mit ihnen fühlen. Denn nicht nur kognitive Kompetenzen sind im Umgang mit Technik wichtig, Emotionen spielen mitunter die entscheidende Rolle. „Letztlich geht es oder sollte es bei neuen Anwendungen immer um eine Erleichterung des Alltags gehen“, sagt die Wirtschaftsinformatikerin. „Einen Nutzen haben Konsumenten wie Mitarbeiter nur dann von digitalen Erfindungen, wenn sie einfach handhabbar sind, eine zweckmäßige Antwort auf offene Fragen und ein Gefühl der Zufriedenheit mit sich bringen.“
Weniger Einsamkeit durch künstliche Intelligenz
Hat sich Seeber in Master- und Doktorarbeit mit digital unterstützten Moderationstechniken und den genannten Ideenkonvergenzprozessen beschäftigt, forscht sie derzeit an weiteren Projekten zu Conversational Agents, Dialogsystemen und Gesprächsassistenten sowie Digital Nudges, den digitalen Anstubsern, die zu verändertem Verhalten führen sollen.

Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme, die ein Gespräch zwischen Mensch und Computercode, Bot genannt, kurz für Roboter, ermöglichen und in vielen Fällen bereits auf Basis Künstlicher Intelligenz ablaufen. Einfach gesagt: Bei Chatbots handelt es sich um jene Fenster, die sich auftun, wenn der Internet-Nutzer auf manchen Homepages mit dem Unternehmen sprechen möchte, zum Beispiel das Programm „Kara“ bei A1. Oft sind sie symbolisch umrahmt von Sprechblasen, in denen ein computerbasiertes Programm den User fragt, ob und wie es helfen kann. Die Fragen müssen getippt werden. Der Fragende erhält je nach Komplexität des Bots mehr oder weniger zufriedenstellende Antworten oder wird an eine echte Person verwiesen.
Die Tirolerin erforscht unter anderem die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit im Umgang mit diesem Werkzeug und erklärt: „Viele Konsumenten nutzen diese digitalen Assistenten bereits sehr intensiv, etwa für einfache Anfragen. Die Zufriedenheit der Kunden ist höher, als wenn sie von Mitarbeitern des Kundenservice sprechen.“
Weiters zeigt sich, dass diese digitalen Partner auch zu einem geminderten Gefühl von Einsamkeit führen können. „In den USA haben wir einen Mental Health-Chatbot untersucht (Anm. d. Red.: ein Internet-Programm, das mit Menschen ein Therapieprogramm für seelische Gesundheit durchführt). Die Ergebnisse zeigen klar, dass Nutzer ihn als hilfreich empfunden haben. Nicht nur, weil sie dadurch quasi ein Gegenüber hatten und das Gefühl von Einsamkeit sank, sondern auch, weil sie konkrete Antworten auf drängende Fragen und sogar Anweisungen für die Alltagsgestaltung und -bewältigung erhielten.“ Nichtsdestotrotz zeigte sich immer wieder, dass keiner der untersuchten Chatbots auch nur annähernd die menschliche Fähigkeit zur echten Empathie oder zur Lösung komplexer Aufgaben übertreffen konnte.
Laut Seeber haben viele Nutzer allerdings auch Vorbehalte, die beispielsweise auf einer Scheu vor der Auseinandersetzung mit neuen Technologien beruhen oder auf Ängsten, Chatbots würden menschliche Arbeitskräfte ablösen und damit zu Arbeitsplatzverlusten führen. Aber auch schlicht das Angebot schlecht gemachter Chatbots kann eine ablehnende Haltung bewirken.
Digitale Reize gegen den inneren Schweinehund
In einem weiteren Forschungsprojekt befasst sich Isabella Seeber mit Nudges. Sehr verkürzt formuliert, handelt es sich bei ihrer Forschung um die Gestaltung von Benutzeroberflächen bei der Ideenselektion, die ihren Nutzern sanfte Motivationsstöße gibt, um Entscheidungen zu erleichtern. (Anm. d. Red.: Ein Beispiel dafür ist die Spar-App „Monkee“, Seite XXXX.) Doch egal, worum es inhaltlich geht, ums Sparen, ums Abnehmen oder um ein anderes individuell definiertes Ziel, Menschen erhalten durch Nudges computerbasierte, konkrete Unterstützungen, Anreize, Aufforderungen, an Zielen festzuhalten und diese durch positive Motivation zu erreichen. Als menschliches Pendant auf sportlicher Ebene könnte der bisherige Personal Trainer als das bezeichnet werden, was ein Nudge inzwischen zu leisten imstande ist.
Was eine moralische Bewertung von Künstlicher Intelligenz betrifft, ist Isabella Seeber zurückhaltend: „Auch wenn die KI mittlerweile für den Praxiseinsatz taugt, steckt sie doch zurzeit noch in den Kinderschuhen.“ Als Privatperson erlaubt sie sich sehr wohl eine Meinung und eine Haltung. So sträuben sich ihr manchmal die Haare, wenn sie einzelne Auswirkungen von Social Media auf das menschliche Verhalten sieht. Auch dort sollte einst erreicht werden, dass sich Menschen begegnen, vernetzen und austauchen. Das Gegenteil ist eigetreten, so die Wissenschaftlerin: „Selbstdarstellung, Optimierungs- und Wettbewerbsgedanken haben überhandgenommen. Menschen bewegen sich dort inzwischen weitestgehend in ihren eigenen Blasen, demokratische Prinzipien werden mitunter ausgehebelt.“ Seeber sieht in den Technologien nach Social Media aber durchaus Chancen, genau diesen Tendenzen entgegen zu wirken, wenn wir daraus lernen können, was damals wie falsch lief.

Leidenschaft fürs Lehren
Persönlich und interpersonell wirkt Isabella Seeber diesen Tendenzen durch ihre Lehrtätigkeit entgegen. Die Freude an der Arbeit gilt neben den eigenen Forschungsprojekten den PhD-Studenten (Anm. d. Red.: Doktorats-Studenten). Seeber betreut an der Uni Innsbruck ihre eigenen Gruppen bei deren wissenschaftlichem Wirken: „Etwa die Hälfte meiner Arbeit fließt in diesen Bereich, der mir enorm wichtig ist. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass meine Studierenden bei ihren Projekten und mit ihren Dissertationen vorankommen, dass sie Freude an der Arbeit haben und das Gefühl, etwas Nützliches zu leisten.“
Im Sommer wird sie eine Professur an der Grenoble École de Management in Frankreich antreten. Nach einem Auslandsjahr an einer Universität in den USA ist es das erste Mal, dass sie für eine unbefristete Zeit von Tirol weggeht: „Das Schöne ist, dass die Umgebung in Grenoble (siehe netzwerk tirol März 2019) der von Innsbruck sehr ähnelt. Auch Berge umgeben die französische Stadt.“
Der Universität Innsbruck und vor allem ihren PhD-Studierenden wird sie weiterhin via Video-Konferenzen und bei sporadischen Besuchen erhalten und verbunden bleiben. Auch deshalb kann die Tirolerin der derzeitigen Situation etwas Positives abgewinnen. Aufgrund der coronabedingten Ausgangssperre und Universitätsschließung musste sie wie alle Kollegen auf Fernlehre umstellen. „Dabei können wir gleich einmal üben und am eigenen Leib erfahren, wie der Umgang mit technikbasierten Vermittlungsmöglichkeiten bestmöglich funktioniert, wie benutzerfreundlich Programme sind oder eben nicht, um effektiv zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu forschen.“
Wer schlau ist, macht etwas daraus, in jeder Lebenslage.