Eines der modernsten Bauunternehmen Österreichs befindet sich in Kufstein. Modern, nicht nur weil gerade ein Teil des Bürogebäudes neu gebaut wurde und modern auch nicht, weil im Hof nur neue Maschinen stehen, das würde auch gar nicht stimmen. Aber modern, weil Anton Rieder wie wohl kaum ein anderer Bauunternehmer des Landes an die Zukunft seiner Branche denkt und das obwohl oder vielleicht weil er selbst „eigentlich nicht so der Handwerker ist.“

„Ich sitze jetzt zum ersten Mal in diesem Sessel. Wir sind erst vor sechs Wochen eingezogen“, sagt Anton Rieder. Den Ausblick aber kann er schon genießen. „Bis 2003 waren wir ja in Kufstein-Endach. Aber weil die Stadt wuchs oder der Betrieb in die Stadt wuchs, suchte mein Vater einen neuen Platz für die Firma. Ich war anfangs nicht begeistert von Schwoich, weil ich es aus meiner Jugendzeit hier eng und finster in Erinnerung hatte. Aber das ist es ja gar nicht.“
Vom Vater Anton, der 1975 in die damals von Baumeister Herbert Premm geführte Firma einstieg und das Handwerk von der Pike auf gelernt hat, übernahm der Sohn Anton 1999 die Firma. Er absolvierte die HTL in Innsbruck und studierte danach Bauingenieurwesen, Baubetrieb und -wirtschaft. „Von meiner Ausbildung her war es deshalb logisch, dass wir den Betrieb auf ein General- und Totalunternehmen umstellen.“ Da bei einer Baustelle tausende Informationen zusammenkommen, Mitarbeiter, Material, Zeitpläne, Anforderungen und Normen et cetera, ist die Bündelung aller an einer Stelle sinnvoll. Das regelt die Kosten, den Termin und in Folge auch die Zufriedenheit der Kunden, ist sich Anton Rieder sicher. Effizienz und Standardisierung sind die Prinzipien, nach denen er seine Baustellen ordnet. Früher war es nicht schlecht, aber die enorm ansteigende Preiskurve beim Bau ist seiner Meinung nach nur so abfederbar. Wenn er eine Wärmepumpe braucht, sind rund sieben Zwischenhändler eingeschaltet, dass sie vom Produzenten bis zum Endkunden kommt. Auch bei den Arbeitern geht Potential verloren. Warum muss jedes Gewerk sein eigenes Material anliefern? Jeder Facharbeiter soll nur das machen, was er eigentlich kann und wofür er angestellt ist. Die Zeitersparnis kann wieder ins eigene Gewerk gesteckt werden. Auch so stellt Rieder dem Facharbeitermangel etwas entgegen. Indem er den Facharbeiter nicht Material schleppen oder darauf warten lässt. Für seinen Betrieb und die gesamte mitteleuropäische Bauwirtschaft betrachtet er das als die Zukunft. Kennengelernt hat er es auf Baustellen in Skandinavien, wo es bereits Usus ist.
Die Übergabe und die Umstellung vom klassischen Handwerksbetrieb zum Bauunternehmen ging für beide Antons unerwartet reibungslos. „Mein Vater war ein strenger Vater. Ein klassischer Vater der alten Zeit. Meine Berufswahl war schon entschieden, bevor ich darüber nachgedacht habe. Weil er als Kämmerer aber viele Betriebsübergaben hat scheitern sehen, wollte er das für sein eigenes Unternehmen nicht und hat mich machen lassen. Ich bin mir aber sicher, dass er dabei tausend Tode gestorben ist.“ Die Veränderung der Unternehmenskultur hat sich beispielsweise nicht nur darin gezeigt, dass es heute eine wöchentliche Personaleinsatzplanung statt der täglichen Einteilung im Hof gibt, sondern auch bei der Freizeitbeschäftigung des Chefs. Der Vater hat dann nach der Arbeit schon einmal einen Festwagen mit der Festung Kufstein drauf gebaut. Der Sohn hingegen liest Fach- und Wirtschaftsmagazine. Genau das aber zeichnet erfolgreiche Unternehmer aus. Die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik und die Schulung der notwendigen Kompetenzen. Anton Rieder hat übrigens die Baumeister-, die Bauträger- und die Ziviltechnikerprüfung. Er ist aber eben auch Unternehmer.

Als solcher versucht er in der Baubranche Veränderungen anzustoßen. „Ich sitze wie mein Vater auch schon in der Kammer. Das ist natürlich keine Entspannung. Aber von meiner täglichen Arbeit ist es ein Ausbruch in die Politik und die Gesellschaft und das strengt mich nicht an. Es fördert und fordert mich. Und das mag und brauche ich.“ In der Kammer versucht er Überzeugungsarbeit für seine Ideen zur Zukunft der ganzen Industrie zu leisten. „Es gibt ja viele Architekten, die lieber ihre Gebäude designen und keine Einreichpläne erstellen wollen. Auch das Abstecken von Claims auf Baustellen kostet nur Zeit und Energie.“ Seine Vision ist es, dass alles aus einer Hand kommt. Eine Baustelle, ein Team, ein Standard. Besonders wichtig hierfür ist das Building Information Modeling. Vor der Realisierung wird das komplette Gebäude, vom Anstrich bis zum letzten Kabelschacht digital gezeichnet und durch 3-D-Brillen auch begangen. Im neuen Bürogebäude gibt es dafür den Raum, der Cave genannt wird, eine Art 3-D-Kino für den Bau.
„Wir sind da schon auf einem sehr guten Weg. Zwei Drittel unseres Umsatzes kommt heute aus der Tätigkeit als Totalunternehmer. Die Kunden nehmen das an und vertrauen auf uns. Die Muße dazu, dass ich mir die Umstellungen und neue Prozessabläufe einfallen lasse, habe ich eben beim Lesen. Das mache ich samstags den halben Tag und sonntags zwei bis drei Stunden. Oder auch bei Sitzungen, die nicht spannend sind, da denke ich auch nach.“ Wofür er dann diesen Loungesessel in seinem Büro hat? „Ruhephasen passieren mir während der Arbeit. Vielleicht nutze ich ihn in so einer dann einmal.“