Herwig Frei ist Rechtsanwalt in der Innsbrucker Kanzlei Greiter Pegger Kofler & Partner und Experte für Arbeitsrecht. Netzwerk tirol hat er erklärt, ob und wie dem Fachkräftemangel mit Mitteln des Arbeitsrechts begegnet werden kann gibt.

Bevor wir zum rechtlichen Rahmen kommen: Was hat es mit dem Fachkräftemangel auf sich und auf welchen Ebenen kann man dagegen ankämpfen?
Bei Fachkräftemangel denkt man gewöhnlich an zu wenig Facharbeiter im produzierenden Bereich. Tatsächlich muss dieses Schlagwort viel umfassender verstanden werden. Es geht um ein generelles Talente-Problem am heimischen Arbeitsmarkt, nämlich dass in allen Branchen, gleichgültig ob im Produktions- oder im Dienstleistungssektor, facheinschlägig qualifizierte Personen Mangelware sind. Diese Grundschwierigkeit für praktisch alle Betriebe verschärft sich durch die demografische Entwicklung sowie die technologischen Trends. Fachkräftemangel bedeutet Wachstumsbremse. Unternehmen können gezwungen sein, ihre Produkt- und Serviceinnovationen einzuschränken, es drohen Umsatzeinbußen. Will man dem Fachkräftemangel begegnen, geht es nicht nur um Fragen des richtigen Recruiting sowie der weiteren Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für so genannte kluge Köpfe oder begnadete Hände aus aller Welt, sondern auch um Möglichkeiten der Attraktivierung des Arbeitsplatzes für bestehende Mitarbeiter sowie um Mitarbeiterbindung.
Wie ist knapp und bündig die Rechtslage beim Anwerben ausländischer qualifizierter Arbeitskräfte?
Wie allgemein bekannt, haben Personen aus allen EU-Mitgliedstaaten völlig freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Lediglich für unselbstständig Erwerbstätige aus Kroatien besteht noch bis Ende Juni 2020 eine Übergangsregelung mit Einschränkungen. Gleiches, nämlich volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, gilt auch für Bürger aus den EWR-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie aus der Schweiz. Arbeitnehmer aus Drittstaaten benötigen jedoch eine arbeitsmarktbehördliche Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Bestimmte qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten können sich mittels der Rot-Weiß-Rot-Karte oder der Rot-Weiß-Rot-Karte plus zwar dauerhaft in Österreich niederlassen und hier arbeiten, das Zulassungsverfahren mit seinem Punktesystem wird jedoch oft als zu langwierig und viel zu bürokratisch kritisiert. Rechtspolitisch wird von Unternehmerseite immer wieder gefordert, Zuwanderungspotentiale zu nutzen und beispielsweise die RWR-Karte auch auf Lehrlinge auszuweiten. Für Schüler und Studenten aus Drittstaaten gibt es jetzt schon einen vereinfachten Aufenthalts- und Arbeitstitel in Österreich. Auch die sogenannte Mangelberufsliste ist immer wieder in Diskussion.
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen im tagtäglichen Wettbewerb um benötigte Fach- beziehungsweise Schlüsselkräfte?
Hier ist vieles denkbar und kommt in der Praxis auch in unterschiedlicher Ausprägung vor. Gerade Lehrlinge werden von Unternehmen schon seit geraumer Zeit auf vielfältige Weise umworben. Die Palette reicht von der Möglichkeit von Schnuppertagen nach dem Vorstellungsgespräch, Lehrlingsentschädigungen in den einzelnen Lehrjahren über Kollektivvertrag, diversen Benefits wie zum Beispiel Sonderprämien oder Gratis-B-Führerschein für besondere schulische und/oder berufspraktische Leistungen, Auslandspraktika vor allem in internationalen Konzernen, VVT LehrPlus-Ticket für ganz Tirol und geht bis zu diversen bezahlten Zusatzausbildungen oder zur Lehre mit Matura. Abseits der Lehrlinge gibt es etwa neuerdings auch in Österreich für Studierende an den Fachhochschulen immer mehr duale Studien. Diese Studiengänge sind zuweilen so gestaltet, dass der Student, dem dualen Charakter des Studiums entsprechend, an der FH den Theorieteil und im Unternehmen den betrieblichen Praxisteil absolviert. Die Praxisphase kann auch in ein reguläres Arbeitsverhältnis, eine Art Ausbildungsverhältnis, gekleidet sein. Der Student in Ausbildung arbeitet also schon nebenher im und für das Unternehmen. Solcherart kann eine Firma bereits quasi die arbeitsrechtliche Hand auf gesuchte Schlüsselkräfte der Zukunft legen. Schließlich bleibt als allgemeines Lockmittel auch noch immer das Geld. So werden von Unternehmen oft Abwerbeprämien gezahlt, um die gesuchten high Potentials zu einem Arbeitsplatzwechsel zu bewegen.
Zentrale Wünsche von Arbeitnehmerseite sind immer wieder mehr Flexibilität, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gute Work-life-balance. Wo ist hier als Unternehmen anzusetzen?
Mit Flexibilität ist zunächst einmal das Thema Arbeitszeit angesprochen. Gerade höherqualifizierte Arbeitskräfte wünschen sich vielfach, möglichst selbstbestimmt und zeitsouverän arbeiten zu können. Das dafür passendste Modell ist, freilich innerhalb des vorgegebenen Rahmens, sprich Gesetz und, Kollektivvertrag, die Gleitzeit mittels Betriebsvereinbarung oder schriftlicher Einzelvereinbarung. Auch die Möglichkeit von zumindest partiellem Home-Office oder von Telearbeit, zum Beispiel ein oder zwei Tage in der Woche, kann einen Arbeitsplatz gerade für kreativ-arbeitende Personen attraktiver machen. Bewusst überlegt werden könnte dort, wo es produktions- und dienstleistungstechnisch möglich und vertretbar ist, auch die Option einer Vier-Tage-Woche. Ein langes Wochenende hat nämlich für viele Menschen einen hohen Stellenwert. Auch betriebliche Wohlfahrts- und Wohlfühleinrichtungen wie zum Beispiel Kinderbetreuungsstätten, Sport-, Relax- und Fitnessmöglichkeiten im Betrieb können für Unternehmen ein Trumpf im Ringen um rare Fachkräfte sein.
Was kann ein Unternehmen rechtlich in punkto fachliche Qualifizierung seiner Mitarbeiter tun?
Qualifizierung, sprich Aus- und Weiterbildung der Stammbelegschaft, ist für Unternehmen im Rahmen der Personalentwicklung das Um und Auf. Solche Fortbildungen vermitteln dem Arbeitnehmer oft theoretisches und praktisches Spezialwissen, das am allgemeinen Arbeitsmarkt gut verwertet werden kann und seinen Marktwert erhöht. Geht die Ausbildung auf Firmenkosten, ist dem Unternehmen anzuraten, pro konkreter Ausbildungsmaßnahme eine gesetzmäßige Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung abzuschließen. Dadurch kann der Mitarbeiter zumindest indirekt im Regelfall bis zu vier Jahre ans eigene Unternehmen gebunden werden. Tut man das nicht, freut sich mitunter Ihr unmittelbarer Konkurrent, er bekommt von Ihnen neues Personal mit Qualifizierung zum Nulltarif! Gängige weitere Qualifizierungsinstrumente sind etwa die Bildungskarenz oder die Bildungsteilzeit. Es gibt also einige Möglichkeiten, Ihre eigenen Mitarbeiter fit für Ihre eigenen Qualifikationsansprüche zu machen.